Auch wenn der Rechtspopulismus in Deutschland eine große Gefahr darstellt, bleiben auch die Gruppen am äußersten rechten Rand aktiv. So warnte der Verfassungsschutz im Sommer 2022 vor geplanten Provokationen aus dieser Ecke, wenn der Unmut über die Energieversorgung und Preissteigerungen im Winter wächst.
In Dortmund geht es vor allem um die Gruppierung „Autonome Nationalisten“ (AN) und ihre Partei „Die Rechte“. Vorläufer sind schon 2000 in Berlin entstanden, einige damals jugendliche Anführer dann nach Dortmund gekommen, vermutlich um die Nähe zu der bestehenden „Freien Kameradschaft“, vormals „Borussenfront“, um den mittlerweile verstorbene Altnazi Siegfried Borchardt („SA-Siggi“) zu suchen.
Die meist jungen Akteure der AN verstehen sich als Widerstandsbewegung gegen das demokratische System und als Avantgarde einer nationalsozialistischen revolutionären Bewegung. Sie unterscheiden sich von früheren Nazigruppierungen durch die Verschmelzung nationalsozialistischer Ideologie mit einer urbanen Jugendkultur. Rechtsextremismus wird zum Lifestyle, mit schwarzer Kleidung und Basecap sowie der Bildsprache der Sprayerszene. Ständiger Aktivismus vermittelt den Eindruck von Dynamik. Aber Vorsicht: Gewalt gilt als legitimes Mittel der Politik. Darum spielt auch der Kampfsport in der Szene eine große Rolle („Kampf der Nibelungen“).
Bei aller äußerlichen Modernisierung: Inhaltlich sind
die AN stramm auf dem alten Kurs. Sie stellen ständig Bezüge zum Nationalsozialismus her, allerdings meist so, dass sie strafrechtlich nicht angreifbar sind. Bei jeder Aktion sind schwarz-weiß-rote Fahnen dabei, die einzigen, die vom NS-Staat legitimiert und nach 1945 nicht verboten wurden. 2018 hängten sie ein „HTLR“-Banner aus, was die jugendliche Mode aufgreift, die Vokale wegzulassen. Bei der Europawahl 2019 hatte ihr Programm 25 Punkte – wie das Parteiprogramm der NSDAP von 1920. Zu ihrem Konzept gehört auch der sogenannte Raumkampf, also der Versuch, öffentliche Orte und Plätze unter ihre Kontrolle zu bringen. Im Stadtteil Dorstfeld haben sie sich Strukturen durch einige Wohnungen und Häuser geschaffen. Aktuell nennen sie das – völlig überzogen - den „Nazikiez“.
Seit 2014 tritt die Gruppierung mit der Kleinstpartei „DIE RECHTE“ auch zu Wahlen an. In dem Jahr konnte sie tatsächlich aufgrund einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung einen Sitz im Rat der Stadt erobern. Zusammen mit der NPD bildete man eine zweiköpfige Ratsgruppe rechts außen.
Trotzdem: Die Rechtsextremisten haben nie wirklich Anschluss an die Bürgerschaft bekommen. Ihre Anhängerschaft vergrößerte sich in den letzten 15 Jahren nicht und verharrt bei 200-300 Personen. Problematisch bleibt die Gruppe aber dennoch, wegen ihrer ständigen Provokationen, ihrem Auftreten als geschlossene Kampfgruppe und der Gefahr der Selbstradikalisierung.
2020 gab es einen Bruch. Nach der Kommunalwahl zeigte sich, dass die Parteistrategie nicht weit führt. Das Ratsmandat der NPD ging verloren, es blieb nur eins für die Rechte. Ihr damaliger Wortführer, der sich mehr versprochen hatte, setzte sich nach Ostdeutschland ab und erklärte, die westdeutschen Großstädte seien für die Rechtsextremisten „verloren“. Einige wichtige Dortmunder Aktivisten folgten ihm. Seitdem ist die Nazi- szene in Dortmund deutlich geschwächt. Nur zum Tode des Altnazis Borchert mobilisierten sie noch einmal mehrere hundert Anhänger:innen. Sonst bringen sie derzeit kaum 40-50 Kamerad:innen auf die Straße, wie zuletzt am 23. August 22. Im Rat agiert ihr neuer Vertreter hilflos und überlässt das Feld der AfD.
Die Aktivitäten radikaler Nazis brachten Dortmund bundesweit schlechte Schlagzeilen ein. Zu Unrecht, denn seit über 20 Jahren sind viele Bürger:innen unterwegs gegen die Feinde der Freiheit und verteidigen Demokratie und Rechtsstaat. Bereits im Jahr 2000 wurde ein „Aufstand der Anständigen“ organisiert, in den Jahren danach bildete sich erst ein Demobündnis, dann der „Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus“. Hier arbeiten wichtige Akteure der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, Kirchen, Gewerkschaften,
Parteien und Wohlfahrts- und Jugendverbände. In der Gründungserklärung heißt es: „Der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus will die Stadt Dortmund als weltoffenes, friedliebendes, von humanistischen Idealen geprägtes Gemeinwesen erhalten.“
Seit seiner Gründung führt der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus jedes Jahr große Demonstrationen durch, dazu viele kleinere Aktionen und Mahnwachen. Auf Seiten der Demokrat:innen nehmen Tausende Mitbürger:innen teil – ein Vielfaches dessen, was die Rechtsextremisten mobilisieren können. Hinzu kommen Diskussionsveranstaltungen, Vorträge, Workshops und umfangreiche Broschüren Seit 2007 gibt es auch eine städtische Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie und der Rat verabschiedet ein kommunales Handlungskonzept. Ein Verein für Opferhilfe und eine Ausstiegsberatung wird gegründet. Die Polizei hat eine Sonderkommission gegen Rechtsextremismus eingerichtet. In vielen Stadtteilen gibt es Runde Tische gegen Rechts.
Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus
Koordinierungsstelle der Stadt Dortmund