25.08.2025

Ungewöhnliche Gespräche in Dortmund

Bei „Dortmund spricht“ treffen Unbekannte aufeinander / „Gemeinsam im Kleinen Großes bewirkt“

Kurz vor 11 am Samstag. Hunderte Menschen wuseln über den Opernvorplatz, suchen und erkennen sich oder fragen sich durch: „Sind Sie vielleicht der Joachim?“ Sie alle haben sich angemeldet für „Das Ruhrgebiet spricht“. Eine Veranstaltung der Evangelischen Stadtkirchen in Essen, Bochum, Duisburg und eben Dortmund. Sie wollen mit Leuten reden, mit denen sie sonst vielleicht niemals ins Gespräch kämen, mit Menschen, die andere Positionen vertreten als sie selbst. Sie wurden durch eine Computersoftware einander zugeordnet, nachdem sie online einen Fragebogen ausgefüllt hatten. Mit Fragen, wie „Was empfindest du im Moment als besonders herausfordernd?“ oder „Denkst du, dass zu viel Vielfalt zu Konflikten in der Gesellschaft führt?“

Die meisten haben ihre Gesprächspartner gefunden, andere lassen die Gesuchten durch das Veranstaltungsmikrofon ausrufen: „Olaf sucht Joachim“. Joachim kommt nicht, also finden Olaf (55, aus Selm) und Horst (80, aus Dortmund) zueinander. Sie nehmen an einem der 50 Tische Platz, die vor dem Theater in Reih und Glied paratstehen. Und die beiden verstehen sich gut. Das Gespräch ist jetzt nicht so konfrontativ, wie ursprünglich erwartet, weil sie eben nicht als Männer mit gegensätzlichen Meinungen „füreinander bestimmt“ wurden, aber auch ihr Gespräch erweist sich als überaus interessant und eröffnet neue Perspektiven. Sie reden über gesellschaftliche Fragen, über den Umgang der Menschen miteinander allgemein und auch über Politik. „Jeder hat den anderen ausreden lassen“, sagt Horst. „Das Ausredenlassen gehört ja auch zum guten Zuhören dazu“, findet Olaf, der vom kulturinteressierten Horst auch noch Tipps für Theater, Oper und Ballett in Dortmund mitnimmt. „Ich fand das alles sehr bereichernd“, sagt Olaf.

Nun ist die Veranstaltung „Das Ruhrgebiet spricht“ eigentlich konfrontativer angelegt, aber wenn man die Teilnehmenden fragt, haben sie sich offenbar durchweg harmonisch mit ihrem jeweiligen Gegenüber unterhalten. Kultiviert – auch bei Meinungsverschiedenheiten, denn die gab es auch. Bei der anonymisierten Auswertung der Fragebögen im Vorfeld war übrigens herausgekommen, dass viele Dortmunder gesellschaftliche Ungerechtigkeit beklagten. Auch das war Thema an vielen Tischen.

Uta Schütte-Haermeyer, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Dortmund und aktiv im Organisationsteam, ist jedenfalls froh, dass „wir nicht in unserer eigenen ‚Bubble‘ geblieben sind. Ich freue mich, dass hier durchaus Leute miteinander sprechen, die sonst nicht miteinander reden würden“. Und tatsächlich erkennt man bei genauerem Hinsehen „Paare“, die sehr ungleich sind. Optisch zumindest: der „Hippie“ und der ältere grau melierte Herr, der junge, etwas schüchterne Mann und die resolute Dame mittleren Alters.

Olaf findet die ganze Veranstaltung jedenfalls sehr gelungen: „Mit `Dortmund spricht´ haben wir heute gemeinsam im Kleinen Großes bewirkt.“ Davon ist er überzeugt.

Und auch Susanne Karmeier, die Pfarrerin an der Ev. Stadtkirche St. Reinoldi, die die Aktion initiiert hat, ist überaus zufrieden. Zu Beginn des Treffens hatte sie allen einhundert Teilnehmenden gewünscht, „dass Sie es genießen sollen, Ihr Gegenüber nicht überzeugen zu müssen.“

Theaterdirektor Tobias Ehinger, der sich ebenfalls sehr engagiert für die Realisierung von „Das Ruhrgebiet spricht“ eingesetzt hat, verweist die Anwesenden darauf, dass diese vielen friedlichen Gespräche heute auf dem Platz der Alten Synagoge stattfänden.

Mit „Das Ruhrgebiet spricht“ zeigt die Evangelische Stadtkirche Dortmund jedenfalls Haltung und setzt Zeichen.