Die Evangelische Kirche in Dortmund engagiert sich seit vielen Jahren gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. „Unser Kreuz hat keine Haken!“ - unter dem Motto vernetzt der Arbeitskreis Christ*innen gegen Rechtsextremismus die Aktiven, organisiert Informations- und Diskussionsveranstaltungen oder setzt klare öffentliche Zeichen mit Mahnwachen und Demos. Seit einigen Jahren gibt es auch eine klare Positionierung gegen jeden Rechtspopulismus.
Derzeit wird vermehrt über den Niedergang der rechtsextremen Szene in Dortmund gesprochen. Wachsam bleiben, lautet aber das Motto der Stadt und des Arbeitskreises Christ*innen gegen Rechtsextremismus. Gemeinsam haben sie ein Video veröffentlicht, das einen Stadtrundgang zum Thema in Kurzform zeigt. Der Rundgang wurde von Sabine Fleiter und Friedrich Stiller erstmals für den Kirchentag 2019 in Dortmund entwickelt. Er schildert die Lage rechts, aber auch die jahrelange Gegenwehr von Stadt und Bürgerschaft und nicht zuletzt der Kirche.
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Neuer Film: Rechtsextremismus in Dortmund – eine Stadt wehrt sich –
Stadt Dortmund ließ Stadtrundgang der Christ*innen gegen Rechtsextremismus verfilmen.
Auch wenn der Rechtspopulismus in Deutschland eine große Gefahr darstellt, bleiben auch die Gruppen am äußersten rechten Rand aktiv. So warnte der Verfassungsschutz im Sommer 2022 vor geplanten Provokationen aus dieser Ecke, wenn der Unmut über die Energieversorgung und Preissteigerungen im Winter wächst.
In Dortmund geht es vor allem um die Gruppierung „Autonome Nationalisten“ (AN) und ihre Partei „Die Rechte“. Vorläufer sind schon 2000 in Berlin entstanden, einige damals jugendliche Anführer dann nach Dortmund gekommen, vermutlich um die Nähe zu der bestehenden „Freien Kameradschaft“, vormals „Borussenfront“, um den mittlerweile verstorbene Altnazi Siegfried Borchardt („SA-Siggi“) zu suchen.
Die meist jungen Akteure der AN verstehen sich als Widerstandsbewegung gegen das demokratische System und als Avantgarde einer nationalsozialistischen revolutionären Bewegung. Sie unterscheiden sich von früheren Nazigruppierungen durch die Verschmelzung nationalsozialistischer Ideologie mit einer urbanen Jugendkultur. Rechtsextremismus wird zum Lifestyle, mit schwarzer Kleidung und Basecap sowie der Bildsprache der Sprayerszene. Ständiger Aktivismus vermittelt den Eindruck von Dynamik. Aber Vorsicht: Gewalt gilt als legitimes Mittel der Politik. Darum spielt auch der Kampfsport in der Szene eine große Rolle („Kampf der Nibelungen“).
Bei aller äußerlichen Modernisierung: Inhaltlich sind die AN stramm auf dem alten Kurs. Sie stellen ständig Bezüge zum Nationalsozialismus her, allerdings meist so, dass sie strafrechtlich nicht angreifbar sind. Bei jeder Aktion sind schwarz-weiß-rote Fahnen dabei, die einzigen, die vom NS-Staat legitimiert und nach 1945 nicht verboten wurden. 2018 hängten sie ein „HTLR“-Banner aus, was die jugendliche Mode aufgreift, die Vokale wegzulassen. Bei der Europawahl 2019 hatte ihr Programm 25 Punkte – wie das Parteiprogramm der NSDAP von 1920. Zu ihrem Konzept gehört auch der sogenannte Raumkampf, also der Versuch, öffentliche Orte und Plätze unter ihre Kontrolle zu bringen. Im Stadtteil Dorstfeld haben sie sich Strukturen durch einige Wohnungen und Häuser geschaffen. Aktuell nennen sie das – völlig überzogen - den „Nazikiez“.
Seit 2014 tritt die Gruppierung mit der Kleinstpartei „DIE RECHTE“ auch zu Wahlen an. In dem Jahr konnte sie tatsächlich aufgrund einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung einen Sitz im Rat der Stadt erobern. Zusammen mit der NPD bildete man eine zweiköpfige Ratsgruppe rechts außen.
Trotzdem: Die Rechtsextremisten haben nie wirklich Anschluss an die Bürgerschaft bekommen. Ihre Anhängerschaft vergrößerte sich in den letzten 15 Jahren nicht und verharrt bei 200-300 Personen. Problematisch bleibt die Gruppe aber dennoch, wegen ihrer ständigen Provokationen, ihrem Auftreten als geschlossene Kampfgruppe und der Gefahr der Selbstradikalisierung.
2020 gab es einen Bruch. Nach der Kommunalwahl zeigte sich, dass die Parteistrategie nicht weit führt. Das Ratsmandat der NPD ging verloren, es blieb nur eins für die Rechte. Ihr damaliger Wortführer, der sich mehr versprochen hatte, setzte sich nach Ostdeutschland ab und erklärte, die westdeutschen Großstädte seien für die Rechtsextremisten „verloren“. Einige wichtige Dortmunder Aktivisten folgten ihm. Seitdem ist die Nazi- szene in Dortmund deutlich geschwächt. Nur zum Tode des Altnazis Borchert mobilisierten sie noch einmal mehrere hundert Anhänger:innen. Sonst bringen sie derzeit kaum 40-50 Kamerad:innen auf die Straße, wie zuletzt am 23. August 22. Im Rat agiert ihr neuer Vertreter hilflos und überlässt das Feld der AfD.
Die Aktivitäten radikaler Nazis brachten Dortmund bundesweit schlechte Schlagzeilen ein. Zu Unrecht, denn seit über 20 Jahren sind viele Bürger:innen unterwegs gegen die Feinde der Freiheit und verteidigen Demokratie und Rechtsstaat. Bereits im Jahr 2000 wurde ein „Aufstand der Anständigen“ organisiert, in den Jahren danach bildete sich erst ein Demobündnis, dann der „Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus“. Hier arbeiten wichtige Akteure der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und Wohlfahrts- und Jugendverbände. In der Gründungserklärung heißt es: „Der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus will die Stadt Dortmund als weltoffenes, friedliebendes, von humanistischen Idealen geprägtes Gemeinwesen erhalten.“
Seit seiner Gründung führt der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus jedes Jahr große Demonstrationen durch, dazu viele kleinere Aktionen und Mahnwachen. Auf Seiten der Demokrat:innen nehmen Tausende Mitbürger:innen teil – ein Vielfaches dessen, was die Rechtsextremisten mobilisieren können. Hinzu kommen Diskussionsveranstaltungen, Vorträge, Workshops und umfangreiche Broschüren Seit 2007 gibt es auch eine städtische Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie und der Rat verabschiedet ein kommunales Handlungskonzept. Ein Verein für Opferhilfe und eine Ausstiegsberatung wird gegründet. Die Polizei hat eine Sonderkommission gegen Rechtsextremismus eingerichtet. In vielen Stadtteilen gibt es Runde Tische gegen Rechts.
Bereits 2012 wurde der Arbeitskreis Christ*innen gegen Rechtsextremismus gegründet. Er verankert das Thema innerhalb der Kirche und setzt nach außen Zeichen gesetzt, wofür Christ*innen stehen. Denn seit dem Festsetzen von Nazistrukturen der „ Autonomen Nationalisten“ bzw. der Partei DIE RECHTE in Dortmund sahen sich auch die Kirchengemeinden mit Rechtsextremisten in der Nachbarschaft konfrontiert. Die rechtsextremistische Ideologie der Ungleichheit der Menschen steht aber im direkten Widerspruch zum christlichen Glauben an die Gottesebenbildlichkeit aller. Darum das Motto: „Unser Kreuz hat keine Haken!“.
Mehr als 100 Menschen machen heute im Arbeitskreis mit, ebenso neun Kirchengemeinden und der Verband der Ev. Frauenhilfe. Auch katholische Christ*innen beteiligen sich. Der Arbeitskreis ist Mitglied im stadtweiten Bündnis „Dortmund gegen Rechtsextremismus“ und in der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechts“.
Werden Sie Mitglied! Der Arbeitskreis ist offen, kein Verein. Es gibt keine Verpflichtungen und keinen Mitgliedsbeitrag. Wer sich anmeldet, erhält mehr Infos und ein Starter-Kit. Im Downloadbereich finden Sie unsere Grundsatzerklärung. Bei Interesse nehmen Sie Kontakt auf unter rgv(at)ekkdo.de oder Telefon 0231/ 22962-373.
Ein Bündnis aus der Mitte der Gesellschaft, dem heute viele Großorganisationen angehören, das ist der Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus. Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und Verbände bilden gemeinsam - trotz weltanschaulicher Unterschiede – ein Abbild der toleranten Dortmunder Zivilgesellschaft.
Die Evangelische Kirche ist engagierter Teil dieses wichtigen demokratischen Netzwerkes. Pfarrer Friedrich Stiller ist Mitgründer und seit Beginn einer der beiden Sprecher.
Durch sein entschlossenes, aber besonnenes Vorgehen genießt der Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus starken Rückhalt in der Bürgerschaft. Immer wieder schließen sich Tausende Bürgerinnen und Bürger seinen Aufrufen zum kreativen und gewaltfreien Protest an, wie zuletzt 2016.
Informieren Sie sich ausführlich auf der Internetseite des Arbeitskreises gegen Rechtsextremismus. Dort auch Informationen zu Facebook und Twitter und zum Newsletter „KontraRE".
Zum Engagement gegen Rechtsextremismus gehört es auch, an das Grauen der NS-Zeit zu erinnern. Es gilt, Folgerungen zu ziehen aus dem weitgehenden Versagen der demokratischen Eliten, auch in der Evangelischen Kirche. Erinnerungskultur ist darum auch heute ein wichtiger Beitrag gegen Rechtsextremismus.