Zum zweiten Mal hatte das interreligiöse Dialogforum eingeladen, gemeinsam Bibel und Koran zu lesen. Dabei wurde Anfang Juli wieder die – vielen noch unbekannte – Methode Scriptural Reasoning angewandt. „Es geht uns darum, zu erproben, was die neue Methode bringt“, erklärten Juniorprofessorin Naciye Kamcili und Pfarrer Friedrich Stiller aus dem Veranstalterkreis zu Beginn. „Wir finden den Ansatz interessant, die Heilige Schrift der anderen Religion vorurteilsfrei auf sich wirken zu lassen.“
Scriptural Reasoning kann man wörtlich übersetzen mit „schriftbasierte Reflexion“. Praktisch bedeutet es, dass Menschen verschiedener Glaubensrichtungen Passagen aus Bibel und Koran gemeinsam lesen. Das Ziel ist es, durch den Austausch ein besseres Verständnis der anderen Traditionen zu entwickeln und Vorurteile abzubauen. Wahrnehmen und Verstehen stehen im Vordergrund, nicht Bewerten.
An diesem Abend in einer albanischen Moschee in der Nordstadt ging es um Texte zum Thema Umwelt. Der Referent, Mohammed Abdelrahem vom Zentrum für Komparative Theologie der Universität Paderborn, hatte dafür aus dem Koran Verse der Sure 56 (Die Versammlung) ausgesucht. Aus ihr stammen auch die Worte im Titel: „Seid ihr es, die den Baum hervorgebracht habt oder sind wir die Schöpfer?“ Parallel dazu wurde aus der Bibel Psalm 8 herangezogen, häufig verwendet im Zusammenhang mit dem Thema Schöpfung: „Wenn ich sehe den Himmel, deiner Finger Werk …“
Voraussetzung für ein Gelingen der Methode ist, dass die Religionen halbwegs gleichstark vertreten sind. Darum wurden an dem Abend auch die Anwesenden in gemischte Gruppen eingeteilt, wo der Austausch dann in kleiner Runde stattfand. Es ging um Worte, die besonders aufgefallen sind, und um Gedanken, die das vergleichende Lesen ausgelöst hat. Die Regeln des Scriptural Reasoning waren dabei grundlegend. Sie lauten zum Beispiel: Vermeiden Sie Verallgemeinerungen, oder: Seien Sie respektvoll im Umgang mit den Texten.
Am Ende gab es noch einen Austausch der Gruppen untereinander, bei dem deutlich die Überraschung zu spüren war, wie ähnlich diese Texte zum Thema Schöpfung doch klingen. Aber auch einige Unterschiede wurden angesprochen. Ein besonderer Dank ging an die Gastgeber vom Albanisch-Islamischen Kulturverein im Borsigplatz Viertel. Der Vorsitzende, Ruzhdi Beciri, berichtete, dass seine Gemeinde die größte der drei albanischen Gemeinden in Dortmund ist und seit 20 Jahren am Standort besteht. Zurzeit wird über einen Umzug in größere Räumlichkeiten nachgedacht. Großes Lob erntete er an dem Abend auch für die gut funktionierende Klimaanlage, denn es war einer der heißesten Tage des Jahres und ohne sie wäre ein mehr als zweistündiges Gespräch über Bibel und Koran kaum möglich gewesen.
Das Christlich-Islamische Dialogforum kündigte weitere Abende mit dieser neuen Methode an. Das Dialogforum hat sich 2023 gebildet und wird unter anderem vom Evangelischen Kirchenkreis und dem Rat der muslimischen Gemeinden getragen. Es bietet sechs Veranstaltungen pro Jahr zu Themen des christlich-islamischen Dialogs an. Immer aktuelle Informationen auf www.dialogforum-dortmund.de.