02.06.2025

„Kinder sollen sich entspannt entwickeln können“

Kita-Chef des Kirchenkreises diskutiert mit Familienministerin Paul

Podiumsdiskussion zum Thema Kita-Krise. Organisiert von den Ruhrnachrichten, die intensiv recherchiert haben. Neben dem Vorsitzenden des Stadtelternrates Benjamin Gottstein und NRW-Familienministerin Josefine Paul wurde Christoph Müller als kompetenter Ansprechpartner eingeladen. Der Leiter des Referats für Kindertageseinrichtungen des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund ist für 70 Kitas in Dortmund, Lünen und Selm verantwortlich.

Redakteur Ulrich Breulmann führt durch den Abend. Mütter und Väter aus dem Publikum melden sich und berichten. Ein Vater erzählt, in seiner Kita habe es in einem Jahr wegen Personalmangels 80 Tage gegeben, an denen er sein Kind zu Hause behalten musste. Andere erzählen, wie sie ihre Kinder mit zur Arbeit nahmen. Sogar unbezahlten Urlaub haben Dortmunder Mütter und Väter schon genommen, weil sie ihren Nachwuchs zu Hause betreuen mussten.

„Wenn wir gut besetzt sind, können wir in den Kitas jedem Kind gerecht werden“, sagt Christoph Müller. Aber leider gibt es in vielen unterschiedlichen Einrichtungen Langzeiterkrankte und andere Ausfälle, haben die Ruhrnachrichten recherchiert. Egal von welchem Träger. Von der Stadt, der AWO, dem DRK, Elterninitiativen oder Kirchen. Josefine Paul sagt, dass das Gesetz lediglich die Mindest(!)-Personalbesetzung vorgebe. Jedem Träger sei es freigestellt, aus eigener Kasse aufzustocken. Aber natürlich weiß sie selbst, dass das nicht einfach ist. Christoph Müller bestätigt, dass es gerade den Kirchen in Zeiten schwindender Mitglieder und Steuereinnahmen unmöglich ist, Personal über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus aufzustocken, da diese sich an den Kita-Betriebskosten jährlich mit 10,3% mit Eigenmitteln beteiligen müssen. Dazu komme, dass einige Gebäude den heutigen Ansprüchen an Kindertageseinrichtungen nicht mehr Genüge täten und umgebaut werden müssten.

Diskutiert wird über zu viel Bürokratie (die die Ministerin gerne abschaffen möchte), über den knapp bemessenen Betreuungsschlüssel; über den Fachkräftemangel und neue Ideen, Personal zu gewinnen (Quereinstieg, Anerkennung ausländischer Abschlüsse); über mehr Krankmeldungen seit Corona, weil Menschen einfach verletzlicher geworden sind; über Möglichkeiten, krankheitsbedingte Ausfälle aufzufangen (Springer-Pools etc.). Auch der Bildungsauftrag der Kitas wird besprochen. Eine Erzieherin mit fast 40-jähriger Berufserfahrung geht so weit zu sagen, dass die innere Sicherheit eines Staates mit der frühkindlichen Bildung beginne.

Fakt ist: Es gab noch nie so viele Kitaplätze im Land wie heute, was sich das Land NRW auch viel kosten lässt. Das ist erfreulich.

Fakt ist aber auch: „Stabilität und Verlässlichkeit haben wir im Moment nicht“, so Ministerin Josefine Paul.

Christoph Müller vom Evangelischen Kirchenkreis, ehemals selbst langjähriger Erzieher, ist für Optimismus und Tatkraft bekannt. Er möchte den Begriff „Bildung in der Kita“ weiter fassen. „Es geht nicht nur um Wissensaufnahme. Vielleicht hat ein Kind gelernt, sich mit etwas Neuem zu beschäftigen, vielleicht hat es auch gelernt, eine Enttäuschung zu verkraften und etwas anderes zu spielen als zuerst gewollt. An jedem Tag gewinnt ein Kind neue Erkenntnisse. Es soll sich entspannt und ohne Druck entwickeln können.“

Entspannung steht auch auf seiner Wunschliste für Pädagoginnen und Pädagogen. „Das ist ein cooler Job, der sich lohnt. Das möchte ich gerne vermitteln.“

Und damit er das auch ohne Wenn und Aber so vertreten kann, wünscht er sich mehr Unterstützung von der Politik. Die Ministerin will ihr Bestes tun.

Anhe

Foto: Stephan Schütze
Christoph Müller, der Leiter des Referats für Kindertagesstätten des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund (2. v.l.), im Gespräch mit Ministerin Josefine Paul, Elternsprecher Benjamin Gottstein und Moderator Ulrich Breulmann (r.)
Foto: Stephan Schütze