30.09.2025

„Ich will, dass wir hier auch Spaß miteinander haben…“

Kirche trifft Handwerk: Betriebsbesuche des Pfarrkonvents nehmen Inklusion, Frauenbeschäftigung und KI in den Blick

Von Nicole Schneidmüller-Gaiser

„Als wir mit den Betriebsbesuchen begonnen haben, war das zu einer Zeit, als man quasi mit drei Betrieben alles gesehen hatte in Dortmund…“ Friedrich Stiller, Pfarrer im Referat für gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Kirchenkreis, spielt auf eine Zeit an, als Hochöfen, Fördertürme, Kohlenhalden und Fabriken noch die Stadt und das Leben ihrer Einwohner*innen prägten. Die großen Arbeitgeber sind heute Vergangenheit, die Arbeitswelt ist diverser geworden. Doch der Wunsch, sich „zu erden“, wie es die stellvertretende Superintendentin Leonie Grüning es nennt, besteht noch immer bei den knapp 100 Pfarrerinnen und Pfarrern, die in den Gemeinden, Einrichtungen und Diensten, in Berufsschulen und Krankenhäusern, bei der Polizei und in der Notfallhilfe in Dortmund, Lünen und Selm tätig sind. Und so machen sie sich alljährlich im September auf und besuchen Betriebe, lassen sich ein und schauen über den Tellerrand. In diesem Jahr standen die Tischlerei Giese & Liebelt in Hombruch, das Christliche Jugenddorfwerk CJD sowie die Firma Jung in Lünen auf dem Plan. Wie immer kompetent mitorganisiert und begleitet von der Handwerkskammer Dortmund.

 

„Wir wollten mit guter Laune wachsen“

„Handwerk goes KI“ – dieser Titel lockte 16 Pfarrerinnen und Pfarrer in den Holzbetrieb Giese & Liebelt, der 1999 von Lars Giese und Martin Liebelt gegründet wurde. Gemeinsam mit einem Auszubildenden gingen sie an den Start - mit viel Leidenschaft für Holz und für die Menschen, mit denen sie arbeiten. Die Leidenschaft ist ein Vierteljahrhundert später immer noch spürbar – und der Betrieb ist vielleicht auch deshalb stetig gewachsen: Heute arbeiten knapp 50 Männer und Frauen in den drei Betriebs-Sparten Möbel-Werkstatt, Fenster/Türen und Bau, darunter beeindruckende zwölf Azubis. „Wir wollten immer mit guter Laune wachsen“, beschreibt der 56-jährige Martin Liebelt sein Credo für ein gutes Betriebsklima, das sich nicht nur theoretisch in einem Leitbild, sondern auch in der Praxis im Umgang auf Augenhöhe und im alltäglichen Miteinander zeigt. Und schiebt schmunzelnd hinterher: „Ich verbringe so viel Zeit hier – da bin ich ganz egoistisch: Ich will, dass wir hier auch Spaß miteinander haben.“

Pfarrkonvent nimmt gute Gedanken und Ideen mit

Nun kommen die Theolog*innen ja auch, um „gute Gedanken und Ideen mitzunehmen“, wie Pfarrerin Grüning es beschreibt. Doch in den Gemeinden sieht es gerade nicht nach Wachstum aus, statt sich über Zuwachs zu freuen, müssen viele der Pfarrer*innen gerade Gebäude reduzieren und Arbeitsbereiche komprimieren. Was sie in diesem Handwerksbetrieb lernen können, ist, dass eine positive Ausstrahlung ansteckend sein kann, dass Fehlertoleranz und klare Regeln kein Widerspruch sein müssen und dass Vorbilder in der mittleren Führungsebene, die nicht nur ihr Handwerk verstehen, sondern auch unternehmerisch denken, entscheidend dazu beitragen, dass Menschen wie Martin Liebelt „Lust aufs Handwerk und Spaß an der Arbeit“ haben – und verbreiten

 Einsatz von KI im Handwerk – geht das?

Der Einsatz von moderner Technik ist dabei nur Mittel zum Zweck – Künstliche Intelligenz, kurz KI, soll Arbeitnehmer*innen nicht ersetzen, sondern sie unterstützen, wo es sinnvoll erscheint. Bei Giese & Liebelt könnte das in Zukunft beispielsweise bei der präzisen Verwertung von Holzresten der Fall sein – wird die Datenbank gut gepflegt, kann „Kollege Computer“ genau ausrechnen, wie man aus möglichst wenig Holz möglichst viel Möbel bauen lässt.  Eine Einführung in das Thema KI lieferte dem interessierten Pfarrkonvent Michael Pracht, der nach 30 Jahren als Geschäftsprozessoptimierer in der Industrie nun gerade auch im Handwerk die Scheu vor der neuen Technologie nehmen möchte und dazu an die TU concept gewechselt ist, eine Tochtergesellschaft der Uni Dortmund.

„Selten hat eine Jahreslosung wohl so gut gepasst“, stellte Pfarrer Friedrich Stiller dazu fest. „Prüfet alles und behaltet das Gute“ – beim Thema KI möchte man das allen zurufen, die die neue Technologie entweder verteufeln – oder kritiklos hochjubeln. Die Wahrheit steckt vermutlich, wie so oft, irgendwo in der Mitte.

Christliches Jugenddorf Dortmund (CJD): Inklusion als Aufgabe und der Beitrag des CJD. Foto: Mark Fäth.