05.11.2018

Grenzen der Konfessionen überwinden

Historische Einsichten ergeben neues Bild von der Reformation

Die großen Feierlichkeiten sind vorbei. Ein Jahr nach dem 500. Jubiläum ist der Reformationstag ein ganz alltäglicher Mittwoch, kein Feiertag. Doch für Professor Dr. Lucian Hölscher haben sich durch das Reformationsjubiläum neue Perspektiven auf die Reformation eröffnet. In seiner Predigt im Gottesdienst zum Reformationstag in der Dortmunder Stadtkirche St. Reinoldi betonte er die gemeinsamen Wurzeln der protestantischen und der katholischen Reformationsbewegungen.

Stadtkirchenpfarrer Michael Küstermann leitete in der Eröffnung bereits zu dem Thema der Predigt hin. Man müsse sich nur einmal in diesem Kirchenraum umsehen, meinte er, um das Zusammenspiel der christlichen Religionen zu erkennen. Die Figur des heiligen Reinold, links des Chorraums, und das Altarwerk mit seiner deutlich katholischen Bildersprache hätten auch für die protestantische Kirche nach der Reformation noch eine Bedeutung gehabt.

In den letzten Jahren habe die Forschung viel Neues über die Zeit der Reformation zutage gefördert, so Prof. Dr. Hölscher in seiner Predigt. Neben den altbekannten und oft gestellten Fragen nach dem Sinn der katholischen Feste oder dem Abendmahl in einer oder beiderlei Gestalt habe sich für ihn dadurch ein neues Bild von der Reformation ergeben.

Einen Generalplan für eine neue Kirche habe es nie gegeben, so der Historiker der Ruhr-Universität Bochum. Stattdessen ein Bündel von Reformen, mit denen die alte Kirche erneuert werden sollte. Wiedergefundene Ergebnisse einer Befragung aus dem Jahr 1648 zeigten, dass in den Gemeinden keine klare Trennung der Konfessionen, sondern ein „eigentümlicher Misch-Masch“ existiert habe. So sei die Kombination von protestantischem Abendmahl und Heiligenverehrung keineswegs unüblich gewesen.

„Wir Protestanten haben oft einen zu engen Blick“, sagte Hölscher. Die Reformation habe die Kirche modernisieren, aber kein neues Christentum schaffen wollen. Oft werde übersehen, welche Reformanstöße auch von der katholischen Kirche ausgegangen seien. Die Vorurteile gegenüber der anderen Konfession säßen weiterhin tief. Doch gegen Ende der Reformationsdekade hätten sich die Konfessionen auf den Weg gemacht miteinander zu reden. Hölscher sagte, er sei „dankbar für den Prozess des Aufeinanderzugehens“. 501 Jahre nach der Reformation sei es Zeit über Vorurteile hinwegzusehen, so Hölscher, und die Grenzen der Konfessionen zu überwinden. Denn „so weit sind Katholiken und Protestanten zum Glück nicht auseinander“.

Der Gottesdienst wurde musikalisch von Sigrid Raschke an der Orgel sowie Martin Bewersdorff und Matthias Grimminger (Klarinette) und Saki Sugawara (Fagott) begleitet.

Foto: EvKkDo
Matthias Grimminger, Saki Sugawara, Martin Bewersdorff, Prof. Dr. Lucian Hölscher und Pfarrer Michael Küstermann. Foto: EvKkDo